„Bei uns wird nur auf dem Balkon geraucht.“

Gehe ich doch dieser Tage durch unsere ausnahmsweise so wunderbar verschneite Straßenlandschaft und atme die herrlich klare und eisig kalte Januarluft ein. Dabei fällt mein Blick wie zufällig auf den kleinen Balkon eines Mehrfamilienhauses und ich denke so bei mir: Wieso sieht man eigentlich in dieser Stadt so wenig rauchende Menschen auf den Balkonen? Dabei erzählen mir doch alle Eltern, bei denen meine Riechsensoren Tabakrauch in den Klamotten wittern, sie würden bei sich zu Hause nur auf dem Balkon rauchen.

Wieviel giftige Schadstoffe sich in Kleidern, an der Haut und in den Haaren von Rauchern festsetzen (laut Krebsforschungszentrum befinden sich immerhin >90 verschiedene krebserregende Stoffe in Tabakrauch) und welche Auswirkungen Passivrauchen und die dauerhafte Aufnahme dieser Schadstoffe bei Kindern haben, ist zunehmend zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses geworden.

Das Bewußtsein über Gesundheitsrisiken für Kinder durch Passivrauchen oder besser: ‘Third hand smoke’ (Rauch aus dritter Hand) ist allerdings noch nicht bei der (rauchenden) Bevölkerung angekommen, wie eine aktuelle Untersuchung in der Zeitschrift Pediatrics belegt (Winickoff et al: Beliefs about the health effect of ‘thirdhand’ smoke and home smoking bans. Pediatrics (2009)123(1):e74).

Seit langem schon ist bekannt, daß Neugeborene rauchender Mütter mit einem niedrigen Geburtsgewicht geboren werden, auch das Risiko für eine Frühgeburt ist deutlich erhöht, wenn in der Schwangerschaft geraucht wird. Diese z.T. ‘kleingerauchten’, dystrophen Neugeborenen haben – insbesondere bei fortbestehender Passivrauchbelastung – ein deutlich erhöhtes Risiko, am plötzlichen Kindstod (SIDS) zu versterben. Nach der Geburt zeigen diese im Mutterleib ‘mitrauchenden’ Kinder nicht selten eine Art Entzugssymptomatik. Interessanterweise beeinflußt diese Art von Tabakkonsum auch das Schlafverhalten negativ: Neugeborene rauchender Mütter schlafen bis zu 2 Stunden weniger pro Tag.

Die Passivrauchbelastung von Säuglingen und Kindern führt unweigerlich zu einem überempfindlichen Bronchialsystem, da eine dauerhafte Schadstoffinhalation die wachsende Lunge schädigt. So werden aus passivrauchenden Kindern häufiger Asthmatiker, langfristig Erwachsene mit einer Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Vielerlei ließe sich hier noch ergänzen. Aber gut damit. Es läßt sich feststellen, daß es keine untere, unbedenkliche Wirkungsschwelle für Tabakrauch gibt. Somit ist Rauchen in Gegenwart von Schwangeren, von jungen Säuglingen und Kindern Körperverletzung. Das gilt natürlich für auf dem Autorücksitz mitrauchende Kinder genauso wie für Tabakrauchausdünstungen auf dem Balkon rauchender Eltern.

Ihr Dr. Guido Hein