Eine im Journal of Health Economics publizierte Studie sorgt derzeit zurecht für Aufsehen. Der Wissenschaftler T. Elder aus Michigan fand heraus, dass insbesondere die jüngeren Kinder eines Einschulungsjahrganges gefährdet seien, daß ihre relative Unreife als ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivität-Syndrom) fehlgedeutet werden.
Daß Unruhe, impulsives Verhalten und Konzentrationsschwierigkeiten gerade bei den jüngsten Kindergarten- bzw. Schulkindern eines Jahrganges als Symptome eines ADHS interpretiert werden, ist nachvollziehbar. Werden diese Kinder oft auf Veranlassung der Erzieher bzw. Lehrer beim Arzt vorgestellt, sind selbst bei Beachtung aktueller diagnostischer Standards Fehldiagnosen denkbar.
Aus den Daten der zitierten Studie schlußfolgert Elder, daß bis zu 1 Mio. von derzeit 4,5 Mio. Kindern mit ADHS in den USA aufgrund einer Fehldiagnose medikamentös behandelt würden und daß bis zu 20% der ADHS-Diagnosen falsch seien. Der Wissenschaftler steht mit seiner Meinung nicht alleine da: „We believe that younger children may be mistakenly diagnosed as having ADHD, when in fact they are simply less mature”, schreibt auch Frau Morrill von der North Carolina State University. Insbesondere vor dem Hintergrund eines vorgezogenen Einschulungsalters (NRW-Schulgesetz § 35 Abs. 1, § 132: „der Stichtag für das Einschulungsalter wird in Monatsschritten innerhalb von sieben Jahren vom 30. Juni auf den 31. Dezember vorverlegt”; d.h. konkret zum Schuljahr 2014/2015 werden alle bis zum 31.12.2008 geborenen Kinder verpflichtend eingeschult) könnten die o.g. Untersuchungen auch bei uns an Relevanz gewinnen, weil immer mehr Noch-Fünfjährige ungeachtet ihrer entwicklungsphysiologischen Reife eingeschult werden.
Die genannten Zusammenhänge sollten auch von Erziehern und Lehrern, gerne auch von Bildungspolitikern zur Kenntnis genommen werden. Kinder- und Jugendärzte wie Kinder- und Jugendpsychiater sind hier zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.
Ihr Dr. Guido Hein