… und das ist keine gute Nachricht, so titelte die Süddeutsche Zeitung vor einiger Zeit (SZ-Magazin 41/2009). Die Rede ist davon, daß immer mehr Mädchen als Jungen zur Welt kommen, daß Männer weniger Spermien haben, daß bei neugeborenen Jungen Zeichen der Verweiblichung wie Hodenhochstände und Hypospadien (Harnröhren mit nach unten verlagerter Rinne) zunehmen, daß Frauen früher und häufiger Brustkrebs bekommen, daß bestimmte Hodenkrebsarten bei jungen Männern zunehemen uvm.
Als Ursache für die schwindende Männlichkeit vermuten Wissenschaftler winzige Mengen Chemikalien, die im Körper von Mensch und Tier entweder wie weibliche Sexualhormone wirken oder die Wirkung männlicher Hormone blockieren. Wir fassen diese Stoffe an, atmen sie ein, essen und trinken sie. Diese chemischen Substanzen lassen sich in Lebensmitteln, Wandfarben, T-Shirts oder Hosen, Plastikfolien und Deosprays feststellen. Die bekanntesten dieser Chemikalien heißen PCB, Dioxin, Bisphenol A, Phthalate, Paraben, Alkylphenol. Wir alle sind chemisch belastet – unausweichlich und von klein auf.
Ein guter Indikator für die Schadstoffbelastung des Menschen ist die Muttermilch: die täglich von einem Säugling aufgenommene Menge an PCB beträgt etwa das Sechsfache des WHO-Grenzwertes für die tägliche Einnahme. Gleichzeitig findet sich Bisphenol A in Kunststoff-Babyflaschen und diverse andere Weichmacher in Kinderspielzeug. Veränderte Hormonspiegel während kritischer Phasen der Entwicklung werden verantwortlich gemacht für die oben anskizzierten Phänomene menschlicher Verweiblichung. So wurde in Italien 1976 bei einem Chemieunfall nahe Seveso das hoch-giftige Tetrachlordibenzodioxin freigesetzt, ein Abfallprodukt der Müllverbrennung. Männer, die der Chemikalie besonders stark ausgesetzt waren, zeugten in den darauffolgenden Jahren fast ausschließlich Mädchen.
Die wissenschaftlichen Berichte aus dem Tierreich stimmen überein: In unseren Flüssen und Seen tummeln sich immer mehr Fischweibchen , teilweise auch skurille Zwitterformen. Der dänische Forscher Christian Sonne hat über Jahre hinweg Chemikalien in Eisbärenblut bestimmt, Eisbärhoden und -penisse vermessen. Und so scheint die abwegige Idee, daß der Einsatz des Insektizids DDT im fernen Afrika mit der Penisgröße eines Eisbären am Nordpol zusammenhängen könnte, auf einmal wissenschaftlich belegbar und plausibel erklärbar zu werden. Im Zuge der Globalisierung müssen auch Schadstoffbelastungen durch hormonwirksame Chemikalien genannt werden.
Liebe werdende Eltern, schauen Sie Ihren Geburtshelfer nicht länger strafend an, wenn diesem ein ‘Glückwunsch, es ist ein Junge’ rausrutscht: es ist kein Macho, sondern lediglich ein gut informierter Gynäkologe, der um diese ernstzunehmenden Zusammenhänge weiß, denn die Welt wird immer weiblicher, und das ist keine gute Nachricht.
Ihr Dr. Guido Hein