Ein kleines Impfupdate zum Herbst 2022

Es gibt Themen, die ganz gehörig an den Nerven zehren und die dennoch kurz miteinander besprochen werden müssen. – Spätestens mit Herbstbeginn häufen sich wieder die Fragen, wer denn nun wie weiter gegen CoV2 geimpft werden sollte?

Zunächst einmal, seit September 2022 gibt es ab 12 Jahren zur Auffrischimpfung zugelassene Omikron-adaptierte bivalente mRNA-Impfstoffe (d.h. sie enthalten neben der Boten-RNA vom Ursprungstypen Wuhan auch mRNA der aktuellen Omikron-Varianten BA.4/BA.5).

Laut STIKO wird empfohlen,

  • allen Jugendlichen ab 12 Jahren eine Auffrischimpfung (3. Impfung) zu verabreichen. Wer als Jugendlicher bereits dreimal geimpft wurde, soll frühestens 6 Monate nach vorangegangener Impfung oder Infektion eine Auffrischimpfung (4. Impfung) erhalten, sofern er infolge einer Grunderkrankung ein höheres Risiko für einen schweren COVID-Krankheitsverlauf hat.

  • gesunden Kinder ab 5 Jahren zur Grundimmunisierung nur noch 1 Dosis des für sie zugelassenen Impfstoffes gegen den CoV2-Ursprungstypen zu verabreichen. Bei einem krankheitsbedingt erhöhten Risiko für schwere COVID-Verläufe können grundimmunisierte Kinder ab 5 Jahren eine Auffrischimpfung erhalten. Allerdings ist der o.g. varianten-angepasste Booster-Impfstoff für dieses Alter noch nicht zugelassen. [nach: Epidem Bull 40/6.10.2022]

Wir werden in unserer Praxis anbieten, Kinder und Jugendliche mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-Krankheitsverläufe zu impfen. Dies sollte ggf. in jedem Einzelfall miteinander abgewogen und besprochen werden.

Gesunde Kinder und Jugendliche werden wir nach aktuellem Stand der Dinge nicht weiter gegen CoV2 impfen. Wir bitten um Verständnis.

Warum? – Schwere Krankheitsverläufe durch CoV2 sind bei gesunden Kindern und Jugendlichen möglich, aber insgesamt weiterhin sehr selten. Auch das Risiko für eine überschießende Immunantwort (PIMS: Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) scheint variantenabhängig zu sein und ist in der Omikron-Welle deutlich gesunken. Long bzw. Post-COVID als Folgeerkrankung gibt es auch bei Kindern und Jugendlichen, allerdings weitaus seltener als im Erwachsenenalter. Letzteres ist nachwievor nur schwer von anderen pandemiebegleitenden psychosomatischen Phänomenen wie „Long-Lockdown“ abzugrenzen [nach: Dtsch. Ärztebl. Jg. 119, Heft 40, 7.10.2022].

Kinder können sich mit CoV2 infizieren, obwohl sie zuvor geimpft wurden. Eine Übertragung ist trotz Impfung möglich. Die Wirksamkeit der CoV2-Impfstoffe ist zudem variantenabhängig. Die CoV2-Impfung dient in erster Linie dem Selbstschutz vor schweren Krankheitsverläufen, diese sind bei Kindern nachwievor sehr selten.

Aktuell ist von einer hohen Dunkelziffer an Infektionen durch die derzeitig dominierenden Omikron-Varianten auszugehen. Die Immunitätslage (Stichwort „Hybride Immunität“ durch Impfung plus Infektion) in der Gesamtbevölkerung verbessert sich stetig. Infektionen werden sich allen Maßnahmen zum Trotz auch in Zukunft nicht verhindern lassen. Daher ist es m.E. zur Zeit nicht gerechtfertigt, einen nicht zugelassenen Impfstoff bei gesunden Kindern anzuwenden.

Schul-/Kita-Schließungen und andere Einschränkungen in der sozialen Teilhabe haben bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen drei Jahren zu erheblichen Belastungen geführt, die u.a. eine Zunahme von Depressionen, Angst- und Eßstörungen zur Folge hatten. Neben all den anderen Krisen und Katastrophen unserer Zeit, dies darf ihnen nicht wieder passieren. Der CoV2-Impfstatus darf für Kinder kein Einschränkungsgrund sein.

Influenza (die Grippe)

Während wirklich schwere COVID-Krankheitsverläufe bei Kindern und Jugendlichen zum Glück eine Seltenheit sind, gibt es andere Infektionserreger, die bei ihnen deutlich mehr Krankheitslast mit sich bringen können.

Dazu gehört – neben RSV, Meningo- und Pneumokokken – auch die saisonale Influenza (die Grippe). Für die kommende Wintersaison 2022/23 gibt es ernstzunehmende Hinweise auf eine sich abzeichnende stärkere Grippewelle. Die diesjährigen Fallzahlen aus Australien, deren Winter auf der Südhalbkugel unserem ja immer vorausgeht, sprechen eine deutliche Sprache: mehr als 200.000 gemeldete Grippefälle bereits bis Ende Juli mit erheblicher Krankheitslast auch bei Kindern und Jugendlichen [aus: Australian Influenza Surveillance No. 09, 2022].

Kinder hatten zuletzt pandemiebedingt sehr wenig Kontakt zur Influenza. Es ist daher denkbar, daß die Grippeviren dies nachholen werden. Insbesondere Risikopatienten, durchaus aber auch alle Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen, könnten in diesem Winter von der Grippeschutzimpfung profitieren.

Ihr Guido Hein, 2022