Sonderbar. Der Gesundheitsmarkt wird von homöopathischen Arzneien geradezu überschwemmt. Eine Reihe von durchaus gewinnorientiert ausgerichteten Pharmaunternehmen hat längst erkannt, dass immer mehr Menschen zur sanften Medizin tendieren. So bringen sie u.a. eine Vielzahl homöopathischer Komplexmittel auf den Markt, die als Kompositum aus verschiedenen Einzelmitteln symptomorientiert beworben und schließlich verabreicht werden. Neben online bestellten Placenta-Autonosoden ist unter den beworbenen Angeboten für das Säuglings- und Kleinkindalter die „Homöopathische Hausapotheke” (gerne im stilvollen Lederetui) bereits zum Bestseller im ganzheitlichen Apothekenregal aufgestiegen.
Längst schon werden in Krabbel- und Pekip-Gruppen, aber auch seitens einer ganzen Reihe von Dienstleistern des modernen Gesundheitsmarktes laienhomöopathische Arzneiempfehlungen gegeben, die Globuli für nahezu alle Fälle bereithalten: Die therapeutische Antwort auf vielfältigste Befindlichkeitsstörungen besteht immer häufiger in Zuckerkügelchen, die auf diese Weise angewandt zum Streugut werden.
Die Globulisierung der Homöopathie bedient eine Marktlücke des Gesundheitsmarktes und entfernt sich mehr und mehr vom klassischen homöopathischen Heilungskonzept. Kritiker der sogen. Schulmedizin bemängeln (übrigens zurecht), dass der Arzt-Patienten-Kontakt in der Regel mit der Verschreibung eines Medikamentes endet – oder überhaupt nur daraus besteht. Dem hingegen behandelt die Homöopathie keine Diagnosen, keine Krankheiten, sondern den einzelnen kranken Menschen. Wird das homöopathische Heilungskonzept mehr und mehr krankheits- und symptomorientiert eingesetzt, verlässt es seine Wurzeln und wendet sich vor allem nicht mehr dem Einzelnen zu.
Der moderne Gesundheitsmarkt hält als sogenannte sanfte Alternative diverse homöopathische Fertigarzneien bereit und bedient hiermit den Anspruch der Patienten, die von der Homöopathie immer die Gabe von Kügelchen erwarten. Die „von vielen Laien falsch verstandene Auf-jeden-Topf-einen-Deckel-Homöopathie … muss als unhomöopathisch abgelehnt werden”, wie der homöopathiekundige Marburger Kinderarzt S. Nolte in seinem Essay Homöopathie ohne Globuli (AHZ 2010;255(1):11-14) schreibt. Samuel Hahnemann selbst hat vorgegeben, dass eine „arzneiliche Hilfe” nicht immer notwendig sei. Keine Arznei geben heißt nicht, nichts zu tun. Vielleicht ist es ratsam, mal wieder häufiger nichts zu tun: Keine Arzneiverordnungen auszustellen, sondern – um mit Herrn Hahnemann selbst zu antworten – die Menschen „zu gewöhnen, mehr durch gute Lebensordnung als durch Arzneyen die Krankheiten zu entfernen …”.
Ihr Dr. Guido Hein