„Husten, wir ham da ein Problem!“

Der Herbst hält Einzug in die KiTas unserer Stadt. Im Nu sind die Laternenumzüge gelaufen und die herbstlichen Fensterdekorationen aus bunten Blättern und Papierdrachen werden recht bald gegen Schneeflocken und Tannengrün ausgetauscht sein. Novemberwinde wehen nasskalt daher und schon bald haben Erkältungsviren auch die letzten Winkel der Kindergärten für sich eingenommen.

Kinder wie Erzieherinnen schnupfen und husten um die Wette. Eltern, die morgens ihr hustendes Kind im Kindergarten abgeben, und Kindergärtnerinnen werfen sich gegenseitig vorwurfsvolle Blicke zu – schließlich holen sich Kinder die lästigen Infekte in den Einrichtungen, verteilen sie dann fleißig in ihren Familien und bringen sie als dann wieder zurück in die Tagesgruppen. Tröpfcheninfektionen – der Name passt zum feuchten Schmuddelwetter -bedeuten halt ein ständiges Geben und Nehmen. In der Kinderarztpraxis hat längst schon wieder die Debatte begonnen, wielange Husten im Kindergartenalter anhalten darf.

Die freundlich gemeinte, durchaus realistische Einschätzung, daß etwas Husten bei Kindern im Winterhalbjahr von Oktober bis März ganz normal sei, wird spätestens ab Mitte November von den meisten Eltern nicht mehr schmunzelnd aufgenommen, und auch mein Hinweis, dass jeder dieser Infekte schließlich das Immunsystem trainiere und somit bis zu einem gewissen Grad auch sportlich zu nehmen sei, trifft nicht allzu lang auf Verständnis. „Doktor, unser Junge hustet die ganze Nacht. Wir kriegen alle kein Auge zu. Er brodelt nur so und hat heut früh beim Husten erbrochen. Wir brauchen endlich einen gescheiten Hustenblocker”, höre ich und bin dann anschließend bei „Heute früh in den Kindergarten wollte er aber unbedingt” doch einigermaßen erstaunt.

Wenn ein Kinderarzt zu guter Letzt auch noch davon anfängt, dass kranke Kinder vor allem eines brauchen – Zeit und Ruhe, kann die Gesprächssituation schon mal brenzlig werden oder gar eskalieren. Gerade in Infektzeiten bringt die frühkindliche Fremdbetreuung ihrer Kleinkinder berufstätige Eltern hin und wieder in logistische Bedrängnis. Fehlzeiten auf der Arbeit können den Job kosten. So kommt es durchaus vor, dass sich fiebernde Kindergartenkinder „gedopt” in die Einrichtungen schleppen und wie selbstverständlich wird das sichtlich angeschlagene, blaß und müde dreinblickende, hustende Kind wieder losgeschickt. Denn ansteckend sind immer nur die anderen. Daß immer mehr Kleinkinder ganztagsbetreut werden und somit einen vollen Arbeitstag durchstehen müssen, machts nicht unbedingt besser.

Den Erkältungsviren ist es völlig schnuppe, ob beide Eltern berufstätig sind oder nicht. Sie stürzen sich auf die angeschlagenen Kleinkinder, befallen bereits infektgeplagte Rachenschleimhäute, besiedeln noch verschleimte Bronchialsysteme und haben dabei ein leichtes Spiel. Husten, wir ham da ein Problem. Fieberhafte Erkältungen und Atemwegsinfekte heutiger Kinder dauern genau so lange wie vor vierzig Jahren, bloß keiner hat mehr Zeit dazu. Es braucht keine Infektfrei-Bescheinigungen vom Kinderarzt, es braucht gesunden Menschenverstand.

Ihr Dr. Guido Hein