Impfen – tut kurz weh und schützt ein Leben lang!

Noch vor 100 Jahren betrug die Säuglingssterblichkeit hierzulande im 1. Lebensjahr etwa 20% (jeder 5. Säugling !), heute liegt die Säuglingssterblichkeit in NRW unter 0,5%. Diesen Umstand verdanken wir neben Fortschritten in Geburtshilfe und Neugeborenenversorgung, verbesserten Hygiene- und Ernährungbedingungen nicht zuletzt der Entwicklung und dem Einsatz von Schutzimpfungen. In den ersten Wochen bis Monaten nach Geburt ist Ihr Kind vor zahlreichen Infektionen geschützt, weil bestimmte mütterliche Abwehrstoffe während der Schwangerschaft in den kindlichen Kreislauf übergehen. Muttermilchernährte Säuglinge erhalten vor allem in den ersten Wochen zusätzlichen Schutz durch darin enthaltene Antikörper. Dieser ‘Nestschutz’ ist nach etwa 6 Monaten aufgebraucht, bei einigen Infektionen wie z.B. Keuchhusten bereits viel früher.

In Deutschland besteht keine Impfpflicht. Damit wird Ihnen als Eltern überlassen, für einen ausreichenden Impfschutz Ihres Kindes zu sorgen. Bitte bedenken Sie bei der Impfentscheidung für Ihr Kind neben der Nutzen-Risiko-Abwägung auch daran, dass ansteckende Infektionskrankheiten keine rein individuelle Angelegenheit sind.

Ungeimpfte Keimüberträger stellen ein Risiko für ihre Umgebung dar. Wenn eine Gesellschaft gut durchgeimpft ist, tritt die jeweilige Infektionskrankheit seltener auf, Epidemien werden verhindert und auch schwache Minderheiten (z.B. junge Säuglinge, Immungeschwächte, alte Menschen) werden geschützt. Und: Der Ungeimpfte lebt im Schutz der Geimpften! – Infektionsschutz geht also alle an. Um Ihrem Kind unnötige Spritzen und zusätzliche Arztbesuche zu ersparen, verwenden wir gut verträgliche Kombinationsimpfstoffe.

Gegen welche Erkrankungen sollte üblicherweise geimpft werden?

Diphtherie ist eine durch Bakterien ausgelöste Erkrankung mit starken Schwellungen und eitrigen Belägen des gesamten Halsbereiches bis hinunter zum Kehlkopf, so dass es zur Erstickung kommen kann. Das Gift der Bakterien kann zu schweren Schäden von Herzmuskelzellen und Nervensystem führen. Trotz intensiver Behandlung (Antibiotika, Gegengiftserum) kommt es immer noch zu Todesfällen. Die Schutzimpfung ist der sicherste und beste Schutz vor dieser Erkrankung.

Keuchhusten (Pertussis) ist eine durch Bakterien per Tröpfcheninfektion ausgelöste Erkrankung, die wie eine harmlose Erkältung beginnt und später mit schweren Hustenanfällen einhergeht. Vor allem im Säuglingsalter kann Keuchhusten durch Atemaussetzer tödlich verlaufen. Antibiotika können den Krankheitsverlauf nur abmildern. Einen ‘Nestschutz’ durch mütterliche Antikörper gibt es für Keuchhusten nicht. Eine frühzeitige Grundimmunisierung schützt.

Wundstarrkrampf (Tetanus) wird durch einen im Erdreich und im Straßenstaub vorkommenden Erreger verursacht, der über kleine, oft harmlose Wunden in den Körper gelangt und dort das gefährliche Tetanusgift abgibt, das vor allem das Nervensystem schädigt. Es kommt zu schmerzhaften Muskelkrämpfen am gesamten Körper, die bei Beteiligung der Atemmuskulatur zur Erstickung führen. Trotz moderner Intensivmedizin ist die Behandlung oft erfolglos. Erst die Einführung der Schutzimpfung hat den Wundstarrkrampf zu einer seltenen Erkrankung gemacht. Kinderlähmung (Poliomyelitis) ist eine Viruserkrankung, die mit Durchfall beginnt und zu einer Hirnentzündung mit Lähmungen der Arme, der Beine und auch der Atmung führen kann. Die meisten Kranken mit Lähmungen behalten Restschäden und sind damit lebenslang behindert. Die Impfung erfolgt seit 1998 nicht mehr als Schluckimpfung, sondern als Spritze mit einem Impfstoff aus abgetöteten Polioviren.

Hämophilus influenza-Typ B (HiB) ist ein Bakterium, das schwerste Infektionen im Kleinkindesalter hervorruft. Dazu gehören insbesondere eine Form der eitrigen Hirnhautentzündung (Meningitis) und die Kehlkopfdeckelentzündung (Epiglottitis).

Hepatitis B ist eine ansteckende Virusentzündung der Leber, die durch Blut, Körperflüssigkeiten und Sexualkontakte übertragen wird. Bei einem Teil der Patienten kommt es zu einer chronischen Erkrankung, woraus sich Leberzirrhose und Leberkrebs entwickeln können. Eine chronisch mit Hepatitis B-infizierte Mutter kann ihr Neugeborenes infizieren.

Masern ist eine häufig schwer verlaufende Viruserkrankung, die mit hohem Fieber, Husten Bindehautentzündung und einem Hautausschlag einhergeht und zu einer vorübergehenden Immunschwäche führt. Folge sind v.a. Lungen- und Mittelohrentzündungen; bei etwa einem von 1000 Masernkranken kommt es zu einer Hirnentzündung, die zu bleibender geistiger und körperlicher Behinderung führen kann. Ganz selten kann es oft erst Jahre nach der Maserninfektion zu einer allmählichen Zerstörung des Gehirns (SSPE) kommen, gegen die geimpfte Kinder geschützt sind.

Mumps ist eine Viruserkrankung, die zu einer Entzündung der Ohrspeicheldrüsen führt. Bei zumindest jedem 10. Mumpskranken tritt zusätzlich eine Entzündung der Hirnhäute (Meningitis) auf. Eine zwar seltene, aber typische Komplikation bei Mumps ist ein Hörverlust. Bei männlichen Jugendlichen kann es zusätzlich zu einer Entzündung der Hoden kommen, die zur Unfruchtbarkeit führen kann.

Röteln verlaufen meist harmlos mit leicht erhöhten Temperaturen, Gliederschmerzen, Lymphknotenschwellungen im Nacken und Hautausschlag. Treten Röteln im ersten Drittel einer Schwangerschaft auf, können beim Ungeborenen Fehlbildungen an Augen, Ohren, Herz und Gehirn entstehen.

Windpocken: Seit 2004 wird auch die Windpocken-Impfung für alle Kinder öffentlich empfohlen. Varizellen (Windpocken) werden durch Viren ausgelöst, sie hochansteckend und können zahlreiche Komplikationen, angefangen von bakteriellen Abszessen der Haut mit erheblicher Narbenbildung bis hin zum Schlaganfall und Tod, insbesondere bei abwehrgeschwächten Kindern, zur Folge haben. Je älter Patienten bei der Erkrankung sind, desto häufiger sind Komplikationen. Besonders gefährdet sind aber ebenfalls Neugeborene, wenn die Mutter wenige Tage vor der Entbindung erkrankt oder Ungeborene von Müttern ohne Impfschutz bzw. durchgemachte Erkrankung.

Pneumokokken sind Bakterien, die alle möglichen Erkrankungen auslösen können. Bei Kindern besonders häufig sind Mittelohrentzündungen, deneben spielen Lungenentzündungen und Hirnhautentzündungen eine nicht unbedeutende Rolle. Insbesondere im Säuglingsalter sind schwere Infektionen (Sepsis, Hirnhautentzündungen) durch Pneumokokken gefürchtet, so daß die Impfempfehlung 2006 auf das Säuglingsalter ausgeweitet wurde. Die Impfung schützt gegen die wichtigsten 13 Serotypen der Pneumokokken.

Meningokokken Typ C sind bakterielle Erreger einer eitrigen Hirnhautentzündung, die – immer schwer verlaufend – unbehandelt tödlich endet. In Deutschland werden jährlich rund 800 Meningitis-Fälle durch Meningokokken gemeldet, etwa 1/3 davon werden durch den Typ C verursacht.

Rotaviren waren als Durchfallerreger eine häufige Ursache für Krankenhausaufenthalte von Säuglingen und Kleinkindern infolge von Brechdurchfall.

HPV (humane Papillom-Viren) sind Erreger von Genitalwarzen, die als sogenannte onkogene Viren später zu Gebärmutterkrebs führen können. Impfschutz vor HPV bedeutet also Krebsprävention. Laut STIKO sollen alle Mädchen ab 9 Jahren diesen Impfschutz erhalten.

Wer soll nicht geimpft werden?

Kinder und Jugendliche, die an einer akuten, fieberhaften Erkrankung (> 38,5°C) leiden, Kinder und Jugendliche, die Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffes aufweisen, 14 Tage vor und nach einem geplanten operativen Eingriff, 3 Monate nach Gabe von Blut oder Blutprodukten, Personen mit angeborenen oder erworbenen Störungen der körpereigenen Abwehr

Mögliche Reaktionen nach einer Impfung: An der Impfstelle kann eine schmerzempfindliche Schwellung und Rötung auftreten, die einige Tage anhält. Am Impftag und den beiden folgenden Tagen kann es zu Störungen des Allgemeinbefindens wie Fieber (selten über 40°C), Unruhe, Schlafbedürfnis, Appetitlosigkeit, Erbrechen oder Gelenkbeschwerden kommen. Durch hohes Fieber können in diesem Zusammenhang selten auch Fieberkrämpfe ausgelöst werden. Bei stärkeren Schmerzen und Fieber über 39 ° nach Impfungen können Sie Ihrem Kind Paracetamol oder Ibuprofen geben.

Bei Schwellungen und Rötungen an der Impfstelle helfen kalte Umschläge. Etwa eine Woche nach der Masern-Mumps-Röteln-Impfung kann eine Fieberepisose, gelegentlich verbunden mit einem leichten Hautauschlag, Lymphknotenschwellungen und Gelenkbeschwerden, selten begleitet von einem vorübergehenden Abfall der Blutplättchen (Thrombocyten), auftreten. Diese ‘Impfmasern’ sind nicht ansteckend.

Impfkomplikationen sind seltene, über das normale Maß einer Impfreaktion hinausgehende Erscheinungen. Sofort im Anschluss an eine Impfung kann es bei Kindern mit Allergien zu Unverträglichkeitsreaktionen gegen Impfstoffbestandteile kommen, die sehr selten bis zum Schock führen können. Sehr selten werden in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen Nervenentzündungen, Lähmungen und Krampfanfälle beschrieben.

Häufige Fragen zum Thema Impfungen:

Sind heutzutage Impfungen überhaupt noch sinnvoll?

Impfkritiker sind der Meinung, dass Infektionen bei uns nicht durch Impfungen zurückgegangen seien, sondern allein durch die verbesserten Lebensumstände (Ernährung, Hygiene etc.). Die relativ junge Hib-Impfung (Einführung in Deutschland 1990) reduzierte die Zahl an lebensbedrohlichen Hämophilus influenza b – Infektionen (Hirnhautentzündung, Kehlkopfentzündung) von mehr als 1600 auf weniger als 30 pro Jahr. Der Hygiene- und Ernährungsstand dürfte dabei 1990 ähnlich gut gewesen sein wie heute.

Andersherum sah man z.B. in Schweden, als man von 1981 auf 1985 aus Angst vor Nebenwirkungen die Keuchhustenimpfung aussetzte, einen enormen Anstieg der Keuchhustenfälle um fast 500%. Natürlich sind dank Impfungen hierzulande früher gefürchtete Krankheiten wie Kinderlähmung (Poliomyelitis) eine Rarität geworden. Masern hingegen treten beinahe jährlich noch epidemisch auf und können – insbesondere Säuglinge ohne Impfschutz sind gefährdet – schwerwiegende Krankheitsverläufe mit nicht therapierbaren Folgen auslösen. Daher gilt auch heute: Die Ungeimpften leben im Schutz der Geimpften.

Sind nicht die Impfungen gefährlicher als die Erkrankungen selbst?

Dadurch, dass die Häufigkeit vieler Infektionskrankheiten mit Hilfe von Impfungen drastisch reduziert wurde, ist auch die Erinnerung an deren Komplikationen im Bewusstsein der Bevölkerung verblasst. Das Risiko ernsthafter Komplikationen ist bei einer Erkrankung um ein Vielfaches höher als bei der Anwendung moderner Impfstoffe.

Sollte man wirklich schon kleine Säuglinge impfen?

Grundsätzlich gilt: Je früher der Impfschutz, desto besser! Lebensbedrohliche Atemaussetzer bei Keuchhusten im Säuglingsalter, eine lebensbedrohliche Sepsis oder Hirnhautentzündung durch Pneumokokken und die bakterielle Hirnhaut- oder Kehlkopfentzündung durch Hib sprechen dagegen, die empfohlenen Impftermine auf die lange Bank zu schieben. Laut Impfkalender sollte daher der erste Impftermin im Alter von 2 Monaten liegen.

Sollten Sie weitere Fragen zum Thema Impfungen haben, stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.

Ihr Dr. Guido Hein